Pflanze als Kraftwerk

Wissen / 23.05.2014 • 15:34 Uhr
 Ein „Pflanzenkraftwerk“ kann man sich auf dem Hausdach, aber auch auf der Fensterbank halten.  FOTOLIA  
 Ein „Pflanzenkraftwerk“ kann man sich auf dem Hausdach, aber auch auf der Fensterbank halten. FOTOLIA  

Forscher entwickeln biologische Brennstoffzelle für kleine Anwendungen weiter.

schwarzach. Auf dem Dach eines Forschungsgebäudes der niederländischen Universität Wageningen stehen große, mit Pflanzen, Wasser und Schlamm gefüllte Eimer. Bert Hamelers und David Strik wollen einen altbekannten Trick optimieren: Bakterien im Boden ernähren sich von organischen Molekülen, die Pflanzen über ihre Wurzeln abgeben. Sie setzen dabei elektrisch positive Ionen und negative Elektronen frei. Für die optimale Stromausbeute, so die Forscher, müsse man die jeweils produktivsten Mikroorganismen benutzen und ihnen die geeignetsten Pflanzen anbieten. „Normale Pflanzen könnten bald Strom für uns alle liefern“, schwärmen sie.

Elektrizität im Boden erzeugen

Im Labor des Projekts „Plant-e“ geschieht das im Kleinen. Das Ganze ist eine pflanzlich-mikrobielle Brennstoffzelle, die Elektrizität aus der Zusammenarbeit zwischen Wurzeln und Bakterien im Boden erzeugen kann. Dabei wird organisches Material genutzt, das bei der Photosynthese entsteht, von der Pflanze aber nicht verwertet werden kann und über die Wurzeln ausgeschieden wird.

Bakterien lösen diese organischen Rückstände auf, dabei entstehen Elektronen. Mit einer Elektrode können die Forscher die Elektroteilchen auffangen und Strom produzieren. Marjolein Helder von „Plant-e“: „Photovoltaik-Anlagen erzeugen mehr Energie pro Quadratmeter. Aber wir hoffen, die Kosten unseres Systems in Zukunft senken zu können. Unsere Technologie kann für verschiedene Bereiche genutzt werden.“ Ein 15 Quadratmeter großes Feld mit pflanzlich-mikrobiellen Brennstoffzellen kann derzeit Strom für einen Laptop produzieren.

„Plant-e“ arbeitet daran, große Mengen Strom zu erzeugen. „Unser System kann auf verschiedene Weise eingesetzt werden. Die Technologie erzeugt Strom, aber sie könnte auch zur Isolierung von Dächern dienen oder als Wassersammler. In größerem Maßstab wäre es möglich, Reis und Strom gleichzeitig zu produzieren und so die Herstellung von Nahrung und Energie zu kombinieren.“

Die Kommune Wageningen hat bereits zwei „Pakete“ unter die Bürger gebracht – für Dächer und Pflanzen auf der Fensterbank. Das renommierte Magazin GEO meint, dass in Zukunft mit dem Schwachstrom LED-Lampen betrieben, Handys und Laptops aufgeladen werden können. Im Unterschied zur Photovoltaik läuft die Stromproduktion 24 Stunden pro Tag. Laut Bert Hamelers und David Strik ließe sich pro Quadratmeter Grünfläche unter optimalen Bedingungen bereits heute etwa ein Fünftel dessen gewinnen, was Solarpaneele oder Windkraftanlagen auf derselben Fläche bereitstellen. Der Vergleich mit Biomassekraftwerken sei noch eindrücklicher: Die neue Art der Stromgewinnung mit Pflanzen könnte demnach das Siebenfache dessen abwerfen, was man aus Biomasse pro Quadratmeter Anbaufläche gewinnt.

Jörg Petrasch, Leiter des Forschungsbereichs Energie an der FH Vorarlberg, hat sich durch die Fachliteratur gestöbert: „Die angegebenen gemessenen Leistungsdichten liegen zwischen 0,067 und 0,222 Watt pro Quadratmeter. Im Vergleich dazu haben heute marktübliche Photovoltaikzellen bei voller Sonneneinstrahlung 100 – 150 Watt. Über das Jahr gemittelt, sind das immer noch rund 10 bis 15 W/qm.“

„Flächenbedarf wäre enorm“

Für Petrasch ist die Technologie fast zwei Größenordnungen vom Stand der Technik entfernt. „Soweit ich es beurteilen kann, ist die Wissenschaft seriös, von einer kosteneffizienten technologischen Umsetzung aber noch sehr weit entfernt. Hinzu kommt, dass der Flächenbedarf für eine ernsthafte Stromerzeugung sogar dann enorm wäre, wenn sich die Leistungsdichte der Technologie noch um eine Größenordnung verbessert.“

 Ein „Pflanzenkraftwerk“ kann man sich auf dem Hausdach, aber auch auf der Fensterbank halten.  FOTOLIA  
 Ein „Pflanzenkraftwerk“ kann man sich auf dem Hausdach, aber auch auf der Fensterbank halten. FOTOLIA  

www.golem.de/news/pflanzenstrom-niederlaender-bauen-
unterirdische-brennstoffzelle-1301-97255.html,
www.plant-e.com