Die Gefahr aus der Mitte

Wenn die Sonne schlecht „aufgelegt“ ist.
Schwarzach Am 1. September 1859 beobachtete der englische Astronom Richard Carrington mit einem Linsenteleskop jeden Tag die Sonne. Dabei ließ er das Bild der Sonne auf einen Projektionsschirm hinter dem Fernrohr fallen, das wird von Amateurastronomen heute noch so gemacht. Carrington studierte die Sonnenflecken, was er aber in einer Fleckengruppe sah, war das helle Aufblitzen zweier benachbarter Stellen, die ein kurzes Stück über die Sonnenoberfläche wanderten und dann verschwanden. Ein paar Stunden später wurde das viktorianische England mit seltsamen Erscheinungen konfrontiert: Telegraphendrähte begannen Funken zu sprühen und zu glühen, in manchen Stationen brachen Feuer aus. In der folgenden Nacht beobachtete man massive Polarlichter bis weit in den Süden, sogar bis Kuba. – Das sogenannte „Carrington-Ereignis“ war ein koronarer Massenauswurf der Sonne. Dabei stößt das Gestirn riesige Mengen an Materie aus und schleudert sie mit einer Geschwindigkeit von Millionen Stundenkilometern ins All. Liegt die Erde in der Schussrichtung, wird sie voll davon getroffen. Für Lebewesen ist das ungefährlich, Atmosphäre und Magnetfeld der Erde schützen uns, das Magnetfeld allerdings wird durch den Ansturm in Schwingungen versetzt – und das könnte unsere Digitalzivilisation vernichten.
Magnetfeld
Wenn das Erdmagnetfeld nämlich schwingt, ändert sich seine Stärke, nimmt zu, dann wieder ab. Auf der ganzen Erde! Es kommt der Effekt zum Tragen, dem wir alle Elektromotoren verdanken: Die Induktion. In jedem Draht, der im Magnetfeld liegt, wir eine elektrische Spannung „induziert“, also hervorgerufen. Bei einem geschlossenen Stromkreis entsteht ein Stromstoß. Der ist umso stärker, je schneller sich das Magnetfeld ändert – und je größer die Fläche ist, die der Stromkreis umspannt. Diese Flächen sind winzig in Computern und Handys, entsprechend klein die Spannungen, aber die Bauteile halten auch nicht viel aus, sie brennen durch. Jeder Chip ist kaputt, die ganze elektronische Infrastruktur, jeder Computer, jede Steuerung. In großen Stromnetzen, die riesige Flächen umschließen, sind die angeregten Spannungen viel höher. Trafos fangen an zu brennen und können über Monate nicht ersetzt werden. Black down – globaler Stromausfall mit unabsehbaren Konsequenzen. Wie häufig sind solche Sonnenausbrüche? Nun ja, ein bisschen häufiger, als man bisher gedacht hat. Etwa alle hundert Jahre. Unsere Hoffnung: Die Sonne zielt nicht absichtlich in unsere Richtung. Knapp daneben ist auch vorbei … kann man sich schützen? Natürlich. Empfohlen wird, Datensticks in Metallkassetten aufzubewahren, dieser faradaysche Käfig hält den Spannungsstoß ab. Auch für große Apparate ist dieser Schutz möglich, man müsste ihn nur einbauen, kostet halt Geld. Christian Mähr