Senke für Kohlenstoff

Wissen / 24.10.2020 • 17:00 Uhr
Senke für Kohlenstoff
Vorarlberger Unternehmen schaffen es, mithilfe von Pflanzenkohle einen Asphalt herzustellen, der Emissionen reduziert. Steurer

Wie man das Element aus der Luft fernhält.

schwarzach Ein Dornbirner Unternehmen ließ mit einer bestechenden Idee aufhorchen: Das Biomasseheizwerk kann so betrieben werden, dass dabei sogenannte „Pflanzenkohle“ entsteht. Die wird Asphalt beigemengt und zum Straßenbau verwendet. Eine Teststraße wurde in Zusammenarbeit mit einer örtlichen Asphaltfirma schon so bearbeitet, die Technologie funktioniert offensichtlich. Zur Klarstellung: Es ist keineswegs die „Asche“ des Prozesses, die hier verwendet wird, sondern der mehr oder weniger reine Kohlenstoff entsteht als Produkt einer „Pyrolyse“, das heißt, pflanzliches Material (Hackschnitzel) wird erhitzt und gibt dabei brennbares Gas ab, das im Heizwerk genutzt wird. Übrig bleibt eben keine Asche, sondern eine Menge unverbrannter Kohlenstoff. Beim Dornbirner Heizwerk sind das 10%, die übrigen 90% des Kohlenstoffs werden zur Produktion von Wärme und Strom genutzt. Die Menge ist aber variabel; in der Literatur werden 30 bis 60 Prozent des im Holz vorhandenen Kohlenstoffs angegeben. Und den mischt man dann in Asphalt – er verschwindet im Straßenbelag? Genau! Der Kohlenstoff verschwindet also aus der Atmosphäre, im Idealfall für immer. Man spricht von einer Kohlenstoffsenke, einer echten Abnahme. Wie das? Es genügt, sich zu überlegen, wie die Sache im Normalfall aussieht: Der Baum wird zur Gänze verbrannt, aller enthaltene Kohlenstoff gelangt als CO2 in die Luft. Stimmt schon – es ist nur jenes Kohlendioxid, das er beim Wachsen in Jahrzehnten aus der Atmosphäre aufgenommen hat, aber die Bilanz ist plus/minus Null (abgesehen vom Energieeinsatz bei der Holzschlägerung usw.).

Dasselbe geschieht über kurz oder lang, wenn der Baum in Vorarlberger Holzhäuser oder in Möbel eingebaut wird. Die halten auch nicht ewig, in einigen Jahrzehnten erleiden sie das naturgegebene Schicksal allen Kohlenstoffs: Oxidation zu CO2. Anders beim Asphalt: Dort bleibt der Kohlenstoff eingeschlossen bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag – vorausgesetzt, man recycelt den Asphalt, wenn die Straße erneuert werden muss und verbrennt nicht einfach. Der Charme des Verfahrens liegt im Material; daran nämlich kranken alle Verfahren der Kohlendioxidreduktion: Es ist ein Gas. Gase lassen sich leichter verarbeiten, aber schwerer speichern als Festkörper. Stichwort: CO2-Verpressung in leeren Erdgaslagerstätten. Klingt nicht besonders vertrauenswürdig und ist es auch nicht. 1:0 für Asphalt! Eins muss aber auch klar sein: Der nicht verbrannte Kohlenstoff wurde auch nicht zum Heizen genutzt. Man kann den Keks nicht zweimal essen! Für Pflanzenkohle gibt es auch andere Verwendungen, zum Beispiel als Bodenverbesserer in der Landwirtschaft: Humusaufbau wird im Klimawandel immer wichtiger. Wichtig: In einem Quadratmeter Asphalt ließen sich bis zu 50 Kilo Pflanzenkohle unterbringen – in einem Quadratmeter Waldboden höchstens 35. – Als Senke für Kohlenstoff sollte man das im Auge behalten.

Christian Mähr

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