Wiener Klassik à la française und deutscher Grusel

Kontrastreiches Programm bei der Schubertiade Schwarzenberg.
Schwarzenberg Mit Schuberts trostlosem Lied „Der Zwerg“ als zweiter Zugabe in den Abend geschickt zu werden, das hat fast schon etwas von schwarzem Humor. Düstere Töne dominierten jedenfalls das Liedrecital, das der Bariton Konstantin Krimmel und Ammiel Bushakevitz am Klavier am Sonntagnachmittag bei der Schubertiade darboten. Auf dem Programm standen vorwiegend Balladen von Schuberts deutschem Zeitgenossen Carl Loewe, von Hugo Wolf und von Schubert selbst.
Wenn in Loewes „Tom der Reimer“ der Held mit der Feenkönigin noch in ein Liebesabenteuer verschwindet, dominiert in der Folge das Unheimliche: In „Herr Oluf“ z. B. stirbt ein Bräutigam nach der Begegnung mit Erlkönigs Tochter, in „Geisterleben“ spricht eine Leiche aus dem Grabe, erst „Archibald Douglas“ geht wieder gut aus. Loewe hat diese Texte mit viel Sinn für Dramatik und Tonmalerei vertont und das Duo Krimmel/Bushakevitz gab seinen Kompositionen die perfekte akustische Gestalt. Im Klavierpart ertönen lautmalerisch die „silberblanken Glöckchen“, wenn die Feenkönigin auftritt, auch die klappernden Gebeine der Toten im „Totentanz“ hört man im Klavier. Krimmel wechselt souverän vom Erzählduktus zu fahlen und grellen Tönen, singt klar verständlich und macht aus jedem Lied eine perfekt gestaltete Szene, kongenial begleitet von Bushakevitz.

Nach der Pause berührten die drei „Gesänge des Harfners“ in Hugo Wolfs Vertonung durch ihre trostlose existentielle Anklage. Und dann endlich der Meister selbst, Schubert, mit dem so oft gehörten, aber wie neu klingenden „Erlkönig“: Bushakevitz gestaltet die Klaviereinleitung dynamisch, bleibt als treibender Puls die ganze Zeit präsent, Krimmel singt die drei Rollen Vater-Kind-Erlkönig mit unterschiedlichen Klangfarben, jagt seinen wundervoll strömenden Bariton bis zum Fortissimo, um dann fast tonlos den Tod des Kindes zu verkünden. Unter den weiteren Schubert-Werken ragten besonders die hochexpressive „Gruppe aus dem Tartarus“ mit ihren wilden Begleitfiguren und der „Prometheus“ heraus. Im Saal herrschte die ganze Zeit „unfassbare Mucksmäuschenstille“ (Krimmel), ein Beweis dafür, wie atemberaubend die beiden Künstler ihr dunkles Programm darboten. Ganz anders das vormittägliche Kammerkonzert, bei dem drei französische Interpreten, Renaud Capuçon (Violine), Guillaume Bellom (Klavier) und der Debutant Paul Zientara (Viola) meist heitere Werke von Mozart und Schubert zu Gehör brachten. Gleich zu Beginn erklang ein selten gehörtes Juwel der Kammermusik: Mozarts Duo für Violine und Viola, KV 423, mit technischen Schwierigkeiten wie mit musikalischen Schönheiten gespickt. Capuçon beginnt mit strahlendem Ton, die Viola fällt mit ihrem samtigeren Klang ein, die Stimmen imitieren sich und werden in einem engmaschigen kompositorischen Geflecht durch die Durchführung getrieben. Beide spielen graziös, aber auch kraftvoll. Traumhaft schön und sprechend dann das Adagio, der tänzerische dritte Satz gelingt temperamentvoll und leichtfüßig.
Staunte man hier schon über die technische Leichtigkeit und die Musikalität des Debutanten Paul Zientara, so konnte er diese Eigenschaften in Schuberts „Arpeggione-Sonate“, D 821, vollends unter Beweis stellen. Bellom am Klavier war ein kongenialer Partner, phrasierte hochmusikalisch und harmonierte perfekt mit Zientara. Das versonnene Adagio spielte dieser mit gezielt dosiertem Vibrato und kleinen Portamenti. Im dritten Satz kontrastierten rasante Partien mit bewusst verlangsamten. Obwohl alles wunderschön klang, ging es nie um Schönklang oder Effekte, es war eine geistreiche Interpretation, bei der man spürte, dass die Ausführenden die Komposition analysiert und verinnerlicht hatten. In Schuberts „Sonatine“, D 408, die trotz der Tonart g-Moll ein eher heiteres Stück ist, setzte sich dieser französische Esprit in der Interpretation fort. Capuçon geigte frisch und elegant, mit perfekter Bogentechnik, gesanglich im zweiten Satz, beschwingt im fast mozartischen Menuett und abwechselnd feurig und melancholisch im Schlusssatz, immer mit Bellom als ebenbürtigem Partner. Alle drei Musiker vereinten ihre Fähigkeiten dann in Mozarts „Kegelstatt-Trio“, KV 498, zu einer eleganten, detailgenau gestalteten Interpretation, ohne „wienerisches“ Schwelgen, dafür durchsichtig und schlank. Nur den farbigen Klang der originalen Klarinette, deren Part von der Violine gespielt wurde, vermisste man doch etwas.
Ulrike Längle