Mich reizen Rollen, die mich an Grenzen bringen

Wohin / 23.07.2015 • 14:43 Uhr
Katrin Kapplusch: „Auf der Seebühne kann man stellenweise sogar liedmäßig denken, das ist schön.“  Foto: VN/Stiplovsek
Katrin Kapplusch: „Auf der Seebühne kann man stellenweise sogar liedmäßig denken, das ist schön.“ Foto: VN/Stiplovsek

Sie singt große Wagner-Partien und an der Turandot liebt Katrin Kapplusch die Präsenz.

Bregenz. Stefan Herheim, der hier „Hoffmanns Erzählungen“ inszeniert, schätzt die Sopranistin Katrin Kapplusch sehr. Sie hat für „Manon Lescaut“ mit ihm gearbeitet. Auch Marellis „Turandot“-Schluss ist für sie stimmig.

Inwieweit ist die Partie der Turandot herausfordernd?

Kapplusch: Sie hat eine Intensität, weil sie sich die Seele aus dem Leib singt. Ich liebe die physische Herausforderung und die darstellerische Intensivität. Der Charakter ist extrem, wie er sich auflöst und aufweicht, das ist hochspannend.

War es schwierig, sich auf der großen Seebühne als Sängerin zurechtzufinden?

Kapplusch: Wir hatten extremes Wetter. Wenn man sich daran gewöhnt und sich zu helfen weiß, dann setzt es sich zusammen.

Sie müssen einmal auf diese zentrale Zylinderklappe, also hoch hinauf. Hat Sie das Überwindung gekostet? Hatten Sie vor Ihrem Engagement eine Seebühnenproduktion der Bregenzer Festspiele gesehen?

Kapplusch: Ich glaube, es sieht von der Tribüne spektakulärer aus. Für mich ist dieser Aufstieg auf den Zylinder nicht so krass. Ich habe die „André Chénier“-Bühne besichtigt, hatte aber noch keine Aufführung gesehen.

Marco Arturo Marelli hat eine eigene Schluss-Version für die Oper „Turandot“ entwickelt. Die Prinzessin geht selbst auf Calaf zu. Sind Sie damit einverstanden?

Kapplusch: Da das Stück dieses offene Ende hat, kann man vieles machen. Ich war in vier Produktionen, die alle anders endeten. Wichtig ist, dass es eine Idee ist, die bis zum Schluss trägt. Hier gefällt mir, dass Turandot trotz ihrer Angst die Initiative übernimmt und diese Berührung, diesen Kuss selbst auslöst. Alles andere wirkt wie eine Überwältigung durch Calaf. Man sieht, wie sie ringt und kann noch ein Stück weiter in sie reinsehen.

Welche Varianten des Schlusses haben Sie dargestellt?

Kapplusch: Eine war absolut fragend, das war eine Annäherung auf Distanz, die alles offen ließ, das hat mir auch gut gefallen. Einen Schluss fand ich spektakulär und genauso schlüssig. Da hat sie sich in die Umarmung gegeben und sich umgebracht, weil sie die Nähe doch nicht ausgehalten hat. Das ist radikal, aber schlüssig, weil jemand, der so traumatisiert ist, sich auf Messers Schneide befindet.

Wann haben Sie sich dieser Rolle angenähert?

Kapplusch: Vor sieben Jahren. Es ist unheimlich spannend, mit so einer Rolle in der Sängerkarriere weiterzugehen. Ich finde es wichtig, die feinen Farben zu entdecken und sich nicht durchzustemmen, weil so eine intensive Figur plakativ wird, wenn sie die anderen Nuancen nicht hat.

Bietet Ihnen die Seebühne mit der Verstärkungsanlage die Möglichkeit zu einer solch intensiven Interpretation?

Kapplusch: Absolut. Man kann stellenweise sogar liedmäßig denken, und das ist schön.

Sie singen Wagner-Partien, wo liegt das Faszinosum?

Kapplusch: Wagner ist eine spezielle Welt, die Verbindung von Sprache und Musik ist aus einem Guss, und das bekommt man sehr stark zu spüren. Das erfordert auch eine gewisse Fertigkeit, aber vorher wagt man sich auch nicht an Wagner.

Welche Partien von Wagner oder anderen möchten Sie sich noch erarbeiten?

Kapplusch: Das wird die Ortrud sein, in Essen wird ein „Lohengrin“ gemacht. Sie ist als Charakterrolle besonders spannend. Ich würde mich freuen, in den nächsten Jahren die Isolde zu singen. Die Chrysothemis kommt, auch Elektra reizt mich oder die Marie in „Wozzeck“, wie alle Rollen, die mich an Grenzen bringen.

Zur Person

Katrin Kapplusch

Geboren: in Düsseldorf

Ausbildung: Hochschule für Musik in Köln

Laufbahn: Engagements u. a. am Aalto Theater in Essen sowie an weiteren deutschen Bühnen als Turandot, als Elisabeth im „Tannhäuser“ und „Don Carlo“, Sieglinde in der „Walküre“, als Manon Lescaut in Graz

Die Oper „Turandot“ wird  noch insgesamt 25 Mal bis 23. August auf der Bregenzer Seebühne gespielt.