“Der Musik ist es völlig egal, woher sie kommt”

Für Sven Regener ist der Musikdatenträger zweitrangig. Er hört Lieder am Computer.
Schwarzach. Element of Crime beehrt diesen Sommer das Poolbarfestival in Feldkirch und besucht damit zum wiederholten Mal Vorarlberg. Frontmann Sven Regener spricht im VN-Interview über das Land, den Ehrgeiz und das neue Album.
Sie kommen mit schöner Regelmäßigkeit nach Vorarlberg. Was verschafft uns die Ehre?
Regener: Vorarlberg ist eine gute Adresse für Musik. Da gibt es immer Menschen, die etwas auf die Beine stellen. Willi Pramstaller hat schon 1987 Element of Crime in den Spielboden nach Dornbirn geholt. Auch in Feldkirch oder in diesem komischen Twin-Peaks-artigen Haus im Wald in Dornbirn, dem Conrad Sohm, engagieren sich viele. Die Region ist sehr kunstfreundlich, dann tauchen eben viele Bands öfters auf. Und wir auch.
Sie haben einmal gesagt, dass der Literaturnobelpreis nicht an Musiker gehen sollte. Nun hat ihn Bob Dylan tatsächlich bekommen.
Regener: Bob Dylan hat jeden Preis der Welt verdient, von mir aus auch den Friedensnobelpreis und den für Chemie. Er ist ein großes Genie und eine der prägenden Gestalten des Rock ’n’ Roll. Aber der Zusammenhang zwischen Literatur und Songtexten ist immer so eine Konstruktion, weil Songtexte schreiben mehr eine musikalische als eine literarische Handlung ist. Wobei das bei der Lyrik natürlich generell und sowieso schwer zu trennen ist. Ich kenne das auch bei anderen Künstlern, auch bei mir selber, dass es immer heißt: Texte, Texte, Texte. Aber im Grunde ist das alles nichts ohne die Musik.
Wie hören Sie Musik?
Regener: Ich hören sie meistens am Computer über eine Anlage. Gescheite Lautsprecher und ein guter Verstärker sind schon wichtig.
Können Sie dem Romantischen, das einer LP-Sammlung anhängt, etwas abgewinnen?
Regener: Selbstverständlich, da ist Hingabe dabei. Wir haben es hier zwar auch mit einem gewissen Fetischcharakter zu tun, aber auf jeden Fall verbindet Plattensammler eine tiefe Liebe zur Musik. Ich habe eher ein direktes Verhältnis dazu, mir ist wichtig, die Musik zu hören. Wenn wir Radio hören, kommt es ja auch komplett unphysisch rüber. Musik kommt ja nur in Wellen in unser Ohr.
Ist das nicht eine sehr technische Sicht auf ein sehr emotionales Thema?
Regener: Nein, das ist eben keine technische Sichtweise. Je weniger Sie an Trägern haben, desto weniger technisch ist das Verhältnis zur Musik, umso direkter ist es. Musik findet zwischen Ohr und Gehirn statt. Der Musik selber ist es doch völlig egal, woher sie kommt. Man kann ein spezielles Verhältnis zum Trägermedium entwickeln, aber das ist auch immer ein Schritt weg von der Musik.
Sie haben als Grimm-Gastprofessor an der Universität in Kassel über Literatur und Humor gesprochen. Wo würden Sie sich mehr Humor wünschen?
Regener: Eigentlich habe ich keine Wünsche. Ich habe nichts von diesem erzieherischen Gen, das andere Künstler manchmal haben. Ich bin nicht der Meinung, dass ich Leuten zu erzählen habe, wie sie zu sein haben. Die Welt ist so, wie sie ist. Und damit ist sie Ausgangspunkt, Gegenstand und Gegenteil dessen, was man künstlerisch macht. Die Kunst als Volkshochschule ist meine Sache nicht.
Und was gibt Element of Crime der Welt?
Regener: Musik. Wir sind eine Band mit einem sehr speziellen Sound und einer sehr speziellen Art von Songs. Damit machen wir die Welt, wie wir hoffen, schöner, und die Leute, die das mögen, ein bisschen glücklicher.
Ist das der Ehrgeiz eines Musikers?
Regener: Das hat mit Ehrgeiz nichts zu tun.
Oder das Ziel eines Musikers?
Regener: Nein, Nein! Das ist eine mechanistische Sichtweise von Kunst, wie mit einem Werkzeug, mit dem etwas bewirkt und ein Ziel erreicht. Die Sache ist viel rätselhafter und viel abstrakter, als man das in Begriffen wie Ziel oder Ehrgeiz ausdrücken kann. Bei Ehrgeiz geht‘s ja auch eher um einen selber. Das hat mit so einer Band wie Element of Crime relativ wenig zu tun.
Trotzdem noch zu einem Ziel: Darf man sich auf ein neues Album freuen?
Regener: Wir haben angefangen, neue Songs zu schreiben, was immer darauf hinausläuft, dass man irgendwann genug für ein Album zusammen hat. Wir hoffen, dass es nächstes Jahr im Herbst rauskommen kann.
Zur Person
Sven Regener
Musiker, Schriftsteller und Drehbuchautor, Sänger und Texter der Band Element of Crime. Autor der Lehmann-Trilogie.
Geboren: 1. Jänner 1961 in Bremen
Wohnort: Berlin
Familie: verheiratet, zwei Kinder
Element of Crime, am 27.7. live beim Poolbar-Festival in Feldkirch. Infos unter www.poolbar.at