„Andri – Ich bin nicht anders, ich will nicht anders sein“

Zett_Be / 22.04.2016 • 15:48 Uhr
Max Frisch,1911-1991, Autor von „Andorra“„Jedes Bildnis ist eine Sünde. Es ist genau das Gegenteil von Liebe […] Wenn man einen Menschen liebt, so lässt man ihm doch jede Möglichkeit offen und ist trotz allen Erinnerungen einfach bereit, zu staunen, immer wieder zu staunen, wie anders er ist, wie verschiedenartig . . .“ (Max Frisch, 1976)
Max Frisch,

„Jedes Bildnis ist eine Sünde. Es ist genau das Gegenteil von Liebe […] Wenn man einen Menschen liebt, so lässt man ihm doch jede Möglichkeit offen und ist trotz allen Erinnerungen einfach bereit, zu staunen, immer wieder zu staunen, wie anders er ist, wie verschiedenartig . . .“ (Max Frisch, 1976)

Schüler des Gymnasiums Schillerstraße präsentieren Collage zwischen Impro und Klassik.

Feldkirch. Die österreichweite Theaterinitiative Macht/Schule/Theater wird vom Bundesministerium für Bildung und Frauen und KulturKontakt Austria durchgeführt und stellt im Schuljahr 2015/16 das Thema „Mit kultureller Bildung Demokratie gestalten!“ in den Mittelpunkt der Theaterarbeit. „Ziel von Macht/Schule/Theater ist es, SchülerInnen aus ganz unterschiedlichen Schultypen und verschiedenen Altersgruppen einen Zugang zum Theater zu eröffnen. Im Mittelpunkt steht dabei, die Kreativität und Fantasie der SchülerInnen, ihre Persönlichkeitsentwicklung, ihre sozialen und kommunikativen Kompetenzen und ihr künstlerisches Ausdrucksvermögen zu fördern. Wesentlich sind auch die künstlerische Auseinandersetzung mit altersadäquaten Themen und die Entwicklung von Reflexionsvermögen über künstlerische Prozesse. Das Spektrum der vom Projektauslober gewünschten Theaterthemen ist vielfältig und reicht von Flucht und Migration, Gewaltprävention, Antidiskriminierung über Genderfragen bis hin zu sozialer und kultureller Diversität, Inklusion und Interkulturalität.

Das Freifach Bühnenspiel des Gymnasiums Schillerstraße präsentiert in diesem Rahmen das Stück „Andri – Ich bin nicht anders, ich will nicht anders sein“ in Anlehnung an Max Frischs „Andorra“.

Rassistische Klischees

Andri, ein junger Mann, der in Andorra lebt, bekommt ständig zu hören, dass er ein „typischer Jude“ sei. Sein Verhalten, seine Art, sich zu bewegen, sein Sinn fürs Geld, alle nur denkbaren rassistischen Klischees werden an Andri beobachtet. Der Adoptivsohn des Lehrers wird von seiner Umgebung ausgegrenzt und gemobbt. An diesem brutalen Vorgehen sind quasi alle Bewohner Andorras wie Tischler, Pfarrer, Doktor usw. beteiligt. Das Drama nimmt einen tödlichen Verlauf. Max Frischs Stücktitel „Andorra“ sei, laut Suhrkamp Verlag, der Name für ein Model: „Es zeigt den Prozess einer Bewusstseinsveränderung, abgehandelt an der Figur des jungen Andri, den die Umwelt so lange zum Anderssein zwingt, bis er es als sein Schicksal annimmt. Dieses Schicksal heißt bei Frisch „Judsein“. Das Stück erschien als Buchausgabe 1961. „Ich bin nicht anders. Ich will nicht anders sein. Und wenn er dreimal so kräftig ist wie ich, dieser Peider, ich hau ihn zusammen vor allen Leuten auf dem Platz, das hab ich mir geschworen . . .“,
schreit Andri einmal, relativ zu Beginn des Stückes, schon ganz verzweifelt, um dann gegen Ende zu resignieren: „Seit ich höre, hat man mir gesagt, ich sei anders und ich habe geachtet darauf, ob es so ist, wie sie sagen . . . Ich bin anders. Man hat mir gesagt, wie meinesgleichen sich bewege, nämlich so oder so, und ich bin vor den Spiegel getreten fast jeden Abend. Sie haben recht: Ich bewege mich so und so. Ich kann nicht anders.“

Aktueller denn je

„Nicht warum die Andorraner antisemitisch reagieren, wird erörtert, sondern auf welche Weise sie es tun. Das Drama fragt sich nicht in Menschen hinein, sondern es stellt fest. Am Anfang gleicht es beinah einer dramatisierten Soziologie gesellschaftlich vermittelter antisemitischer Verhaltensweisen“, schreibt der Journalist Joachim Kaiser in der Süddeutschen Zeitung über das Stück. Vielleicht ist Frischs Parabel auf den alltäglichen Antisemitismus in einem fiktiven Dorf in die Jahre gekommen, aber das Spiel mit Vorurteilen und Mobbing, mit Stereotypen und einschränkenden und klischeehaften Identitätszuschreibungen ist aktueller denn je. Im Rahmen des Projektes „Andri“ wird auch die derzeitige Zuwanderung und die Ängste und Vorurteile gegen die ankommenden Menschen in diesen Zusammenhang gestellt und ausführlich diskutiert. Die OberstufenschülerInnen erarbeiten sich die Texte des Frisch-Stücks, die SchülerInnen der Unterstufe entwickeln aus Improvisationstheaterarbeit Szenen zum Thema Anderssein/Anpassung, Außenseiter, Mobbing, Eskalation, die in ein gemeinsames Theaterstück einfließen und den Bezug zur Gegenwart und Alltagsrealität noch intensiver über die Theaterarbeit zu vermitteln.

Eslem Karakoe,18 Jahre, Rolle: DoktorMir gefällt die Rolle, denn ich liebe es, Abgründiges zu spielen. Frischs Schreibstil ist schon herausfordernd, weil die Sprache so speziell ist. Für die Schauspieler ist es schwer, das richtig auszudrücken, aber das macht das Stück aus. Ich liebe es, ernste Rollen, böse Rollen zu spielen.
Eslem Karakoe,

Mir gefällt die Rolle, denn ich liebe es, Abgründiges zu spielen. Frischs Schreibstil ist schon herausfordernd, weil die Sprache so speziell ist. Für die Schauspieler ist es schwer, das richtig auszudrücken, aber das macht das Stück aus. Ich liebe es, ernste Rollen, böse Rollen zu spielen.

Caroline Hupp,18 Jahre, Rolle: AndriIch mache in diesem Schuljahr die Matura, trotzdem habe ich hier gerne die Hauptrolle, die Rolle des „Andri“, übernommen, weil mir Theaterspielen einfach viel Spaß macht. Es stellt daher kein Problem für mich dar, dafür Zeit zu investieren. Texte kann man auch im Bus auswendig lernen.

Maximilian Achberger,14 Jahre, Rolle: TischlerDas ist das Besondere am Theater: Man kann in Rollen schlüpfen, die eigentlich nichts mit dem eigenen Leben zu tun haben. Es ist für mich kaum vorstellbar, dass Menschen so rassistisch denken und handeln, aber gerade das zu verkörpern ist die große Herausforderung, die Theater bietet.
Maximilian Achberger,

Das ist das Besondere am Theater: Man kann in Rollen schlüpfen, die eigentlich nichts mit dem eigenen Leben zu tun haben. Es ist für mich kaum vorstellbar, dass Menschen so rassistisch denken und handeln, aber gerade das zu verkörpern ist die große Herausforderung, die Theater bietet.

Raphael Wittwer,12 Jahre, Rolle: GeselleIch finde dieses Freifach extrem gut. Ich freue mich schon am Wochenende auf die Proben, weil ich einfach gerne Theater spiele. Ich habe mich sofort angemeldet, wie dieses Bühnenspiel an der Schule angeboten wurde. Es bedeutet auch keinen Stress, es passt einfach gut in meinen Stundenplan.

Die Gymnasium-Schillerstraße-Theatergruppe: Die OberstufenschülerInnen erarbeiten sich die Texte des Frisch-Stücks. Fotos: Theater am Saumarkt
Die Gymnasium-Schillerstraße-Theatergruppe: Die OberstufenschülerInnen erarbeiten sich die Texte des Frisch-Stücks. Fotos: Theater am Saumarkt
Aysegül Kuzugüdenli und Caroline Hupp (als „Barblin“ und „Andri“).
Aysegül Kuzugüdenli und Caroline Hupp (als „Barblin“ und „Andri“).

zett-be-Umfrage. Statements zum Theaterstück

Mitwirkende: Caroline Hupp, Aysegül Kuzugüdenli, Maximilian Achberger, Raphael Wittwer, Irem Önder, Corinna Scheicher, Helen Scheicher, Eslem Karakoe, Alessandra Maxfield, Salma Basic, Selma Cehic, Sophie Giesinger, Sarah Huchler, Katharina Jandl, Putria Lampert, Ana-Theodora Lepir, Lea Milic, Carmen Popescu, Emilia Riedmann, Vera Woide

Leitung: Ursula Fehle, Sabine Benzer

Infos zu Macht/Schule/Theater: www.machtschuletheater.at, weitere Projekte in Vorarlberg: BG Bludenz, VS Hard-Markt, NMS Dornbirn Haselstauden