Billigfleischimporte: “Preislich kann das Vorarlberger Kalb nicht konkurrieren”

Politik / 25.06.2024 • 16:14 Uhr
Andreas Bitschnau Kuh Montafon
Kleinbäuerliche Strukturen, Tierwohl, kurze Transportzeiten zum Schlachter: Andreas Bitschnau setzt das im Montafon um. Einfach werde es Landwirten aber nicht gemacht. Manuel Paul

Verhandlungen über eine Herkunftskennzeichnung laufen. Landwirt Andreas Bitschnau berichtet, was das für Vorarlberger Bauern bedeuten würde.

Wien, Schwarzach Wo kommt das Kalbsschnitzel her? Schon am Supermarktregal ist es schwierig, den Transportweg und die Bedingungen während des Lebens und Sterbens des Tieres nachzuverfolgen. In der Gastronomie ist es oft unmöglich. Das alles führt zu massiven Wettbewerbsnachteilen für Vorarlberger Landwirte, die höhere Auflagen als die Konkurrenz im Ausland haben: Denn billig gewinnt oft. Ein Hebel wäre die Herkunftskennzeichnung, die eigentlich im türkis-grünen Regierungsprogramm steht. Auch die Tierhaltungsform solle für Konsumenten ersichtlich werden, heißt es im Koalitionspakt. Ob sich die Umsetzung bis Herbst ausgeht, ist aber fraglich.

In der Gemeinschaftsverpflegung ist eine Kennzeichnung bereits gelungen: Seit 1. September sind etwa Spitäler, Pflegeheime oder Schulen dazu verpflichtet. Das betrifft immerhin 2,2 Millionen Speisen pro Tag und damit fast zwei Drittel der Außer-Haus-Verpflegung. In der Gastronomie und bei verpackten Lebensmitteln steht hingegen eine Einigung aus. Alle Verhandlungsseiten wollen eine Kennzeichnung, aber zur Umsetzung kommt es bislang dennoch nicht.

Billigfleischimporte: "Preislich kann das Vorarlberger Kalb nicht konkurrieren"
Die Herkunftskennzeichnung steht im Regierungsprogramm, ist aber noch nicht umfassend umgesetzt worden. Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) verweist auf laufende Gespräche. Klaus Hartinger

Pingpong der Verantwortlichkeit

Auf Nachfrage teilt das Landwirtschaftsministerium, wie bereits im Mai, mit, dass die Gespräche noch laufen. „Das Thema Kennzeichnung ist für uns sehr wichtig”, heißt es aus dem Büro von Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP). Auch Landwirtschaftskammerpräsident Josef Moosbrugger (ÖVP) betont gegenüber den VN, dass eine Kennzeichnung für importiertes Frischfleisch, aber auch verarbeitete Produkte wie Wurst für Vorarlbergs Bauern wichtig wäre. Er verweist auch in der Vergangenheit auf Tierschutzminister Johannes Rauch (Grüne), nun die “vereinbarten weiteren Schritte” zu setzen.

Im Büro von Rauch heißt es auf Nachfrage ebenfalls, dass die Herkunftskennzeichnung “der nächste logische Schritt” sei. “Für die Umsetzung  bedarf es allerdings noch einiges an Überzeugungsarbeit in der Wirtschaft und natürlich die Unterstützung des Koalitionspartners, dem unsere Vorschläge seit Längerem vorliegen.”

Landwirtschaftskammerpräsident Moosbrugger nennt drei Prämissen, die gewahrt werden sollen.  APA/Punz
Landwirtschaftskammerpräsident Josef Moosbrugger verweist auf Tierschutzminister Johannes Rauch.  APA/Punz

Minusgeschäft mit Tierwohl

Andreas Bitschnau berichtet den VN, welche Vorteile eine Einigung für Kleinbauern in Vorarlberg hätte. Er betreibt mit seiner Frau Esther einen Bergbauernhof in Bartholomäberg. Kälberexporte seien auch unter den Landwirten ein heißes Thema, seit den Berichten über massive Missstände würden viele Bauern mehr darauf achten, wo ihr Kalb hinkommt. „Ein Kollege gibt seine Kälber wie wir der lokalen Metzgerei. Anstatt dass er sie mit zwei Wochen irgendwohin wegschickt, mästet er sie vier Monate zu Hause. Er hat am Schluss einen Deckungsbeitrag von minus 50 Euro.“ Wenn er die Milch zur Vorarlberg Milch liefern würde, hätte er 50 Euro mehr und keine Arbeit. „Sein Vorgehen ist natürlich ehrenhaft und gut. Aber generell wird es für Betriebe schwierig, wenn sie immer mehr machen, was ins Minus führt.“

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Kälbertransporte sind in Vorarlberg zuletzt wieder gestiegen. Die Mutterkuhhaltung rentiert sich fast nur noch durch Direktvermarktung. Oliver Lerch

Die Bitschnaus halten aktuell 25 bis 30 Rinder, allerdings sind die gerade auf der Alm. „100 Tage sind sie auf der Alpe von Juni bis Mitte September“, sagt er den VN. Davor und danach stehen sie auf der Heimweide und im Winter im Laufstall. Geschlachtet werden die Tiere meist mit rund zwei Jahren, doch auch Kalbfleisch bietet der Familienbetrieb an. Die Tiere werden dazu ins 15 Minuten entfernte Tschagguns zur Metzgerei Salzgeber gebracht. Das Fleisch wird dann wieder abgeholt und im eigenen Kühlraum zum Reifen gelagert. Zehn Stück Rinder werden so pro Jahr vermarktet, mehr Kapazitäten, Platz und Tiere haben die Bitschnaus nicht. „Wir sind ein Mutterkuhbetrieb, das Kalb trinkt bei der Mutter.“ Weitere, mutterlose Kälber wollen und können sie nicht dazukaufen, da auch die Milch fehlt.

„Der Konkurrenzkampf ist groß, auch mit dem Handel und den Discountern. Manche wollen nicht so viel Geld ausgeben. Herkunftskennzeichnungen würden uns unheimlich helfen.“

Andreas Bitschnau, Bio-Landwirt

„In gewissem Sinne sind wir eine Nische. Aber eine wachsende seit Corona“, berichtet der Landwirt. Die direkte Vermarktung zum Endkunden ist gestiegen, als Handel und Gastronomie aufgrund der Lockdowns geschlossen waren. Doch, so ergänzt Bitschnau: „Der Konkurrenzkampf ist groß, auch mit dem Handel und den Discountern. Manche wollen nicht so viel Geld ausgeben. Herkunftskennzeichnungen würden uns unheimlich helfen.“ Der Konsument müsste dann am Regal aktiv entscheiden, ob er zum Beispiel Fleisch aus Uruguay kaufen möchte.

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“Wir wollen, dass es den Tieren gut geht”

Bitschnau berichtet auch vom Teufelskreis, dem viele Bauern ausgesetzt sind: „Leider kommt viel billiges Kalbfleisch aus Holland. Dadurch müssen bei uns die Landwirte die Kälber wieder wegschicken.“ Zudem seien in Österreich die Standards sehr hoch: „Das ist auch gut, wir wollen, dass es den Tieren gut geht. Aber es ist problematisch, wenn die Kälber dann etwa nach Spanien exportiert werden, wo die Standards niedriger sind und dann wieder zurückimportiert werden. Preislich kann das Vorarlberger Kalb damit nicht konkurrieren.“

Die Landwirtschaft, die Politik, die Verarbeiter oder der Handel könnten das nicht unabhängig voneinander lösen. „Es gehören alle dazu, man kann nicht einem den Schwarzen Peter zuschieben. Es ist auch nicht der Konsument allein schuld.“

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Tierschutzminister Johannes Rauch (Grüne) hofft beim Thema Kennzeichnung auf den Koalitionspartner, “dem unsere Vorschläge seit Längerem vorliegen”. VN

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